Die Kunst der Wikinger

I. Die Wikinger – mehr als nur Seeräuber

Die Wikinger sind landläufig als Seeräuber und Händler bekannt. Dabei wird häufig übersehen, dass sie auch beeindruckende Kunstwerke erschaffen haben.

Ein beliebtes Motiv der skandinavischen Kunst des Mittelalters waren Tierdarstellungen. Auch Fabelwesen wie Drachen waren häufig zu sehen.

Die Wikinger benutzten für ihre Kunst vor allem Holz, Steine, Silber und Bronze.

Von der keltischen und germanischen Kunst des frühen Mittelalters gingen kulturelle Einflüsse auf die Wikinger aus.

Zu den von den Wikingern erzeugten Objekten zählten beispielsweise Broschen, dekorierte Waffen und Runensteine.

Die Wikinger haben in ihrer Blütezeit sechs Kunststile entwickelt.

II. Der Oseberg-Stil

Dieser Stil war vom Ende des 8. bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts in Gebrauch. Der Name ist vom Oseberg-Schiff abgeleitet. Dabei handelt es sich um eines der am besten erhaltenen Schiffe aus der Wikingerzeit. Das Oseberg-Schiff entstand um 820 und wurde 1904 als Bestandteil eines Grabhügels in Norwegen entdeckt.

Typisch für den Oseberg-Stil waren florale Elemente wie Ranken und Blätter. Auch geometrische Figuren wie Kreise, Dreiecke und Spiralen spielten eine wichtige Rolle. Charakteristisch für diesen Kunststil ist das Greiftier. Letzteres hat seine Wurzeln in der karolingischen und angelsächsischen Kunst. Ein weiteres beliebtes Element des Oseberg-Stils sind Tierköpfe.

III. Der Borre-Stil

Der Borre-Stil kam zwischen dem späten 9. und dem späten 10. Jahrhundert zur Anwendung. Im norwegischen Borre befindet sich ein bedeutendes Gräberfeld aus der Wikinger-Zeit. Auch im Borre-Stil war das Greiftier ein prägendes Motiv. Der Borre-Stil ist daher auch als Greiftierstil bekannt. Die Greiftiere blickten den Betrachter frontal an und hatten dreieckige Köpfe.

Typisch für den Borre-Stil sind kugelige Augen und hochgestellte Ohren. Ein weiteres zentrales Element dieses Kunststils waren geometrische Flechtbandornamente. Im Zuge der Expansion der Wikinger wurde der Borre-Stil über Skandinavien hinausgetragen. Objekte, die sich dem Borre-Stil zuordnen lassen, sind beispielsweise in England und Russland entstanden.

IV. Der Jelling-Stil

Zwischen 900 und 975 wurden Kunstwerke im Jelling-Stil erschaffen. Der Kunststil hat seinen Namen von den Königsgräbern von Jelling erhalten. Von dort stammen einige signifikante Funde wie zum Beispiel ein Silberbecher aus dem Grab des dänischen Königs Gorm (900 – 958).

Charakteristisch für den Jelling-Stil sind Runenkreuze sowie schmale und langgestreckte Tierfiguren. Genauso wie bei den vorherigen Stilen waren florale Darstellungen und geometrische Figuren ein beliebtes Gestaltungsmittel. Ansonsten sind Gebrauchsgegenstände aus Holz, Metall und Stein überliefert.

Zu den wichtigsten Relikten zählen ein Bronze-Anhänger aus dem Gnesdowo-Hort in Smolensk (Russland) sowie eine Silber-Fibel aus Ödeshög (Schweden).

V. Der Mammen-Stil

Der Mammen-Stil ist wie seine Vorgänger nach einer bedeutenden Grabstätte (Mammen in Dänemark) benannt. Er erlebte in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts seine Blütezeit.

Löwen, Vögel und Schlangen beherrschten in diesem Zeitraum die Bildsprache der Wikinger. Und die Darstellung von Akanthus- und Weinranken belegt den wachsenden Einfluss der europäischen Nachbarn auf die skandinavische Kunst.

Die wichtigsten Funde für den Mammen-Stil stammen beide aus Jelling. Der kleine Jellingstein (um 935 entstanden) beinhaltet den ersten schriftlichen Beleg für den Namen „Dänemark“. Und der Große Jellingstein (zwischen 960 und 985) zeigt auf der einen Seite eine Christus-Darstellung und auf der anderen Seite einen Löwen.

VI. Der Ringerike-Stil

Der Name des Ringerike-Stils ist von einer norwegischen Landschaft abgeleitet. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts waren Runensteine prägend für die Kunst der Wikinger. Man kann an dieser Stelle beispielsweise die Runenstein von Vang (Norwegen) und Alstad (Norwegen) nennen.

Wie bereits zuvor im Mammen-Stil spielten Löwen, Vögel und Schlangen eine wichtige Rolle in der Bildsprache. Unter dem wachsenden Einfluss des Christentums trat in dieser Zeit das Kreuzmotiv prominenter auf.

Als der dänische König Knut der Große (995 – 1035) seine Herrschaft über den gesamten Nordseebereich ausdehnte, verbreitete sich der Ringerike-Stil auch in England.

VII. Der Urnes-Stil

Der Urnes-Stil war in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Gebrauch. In dieser Zeit war die Christianisierung der Wikinger bereits weit fortgeschritten, und folglich ist dieser Kunststil nach der Stabkirche von Urnes (Norwegen) benannt.

Die Schnitzarbeiten an der Stabkirche gehören auch zu den bedeutendsten Arbeiten in dieser Stilrichtung. Zugleich verloren die im Ringerike-Stil so wichtigen Runensteine an Bedeutung.

Der Urnes-Stil stellte eine Verbindung zwischen der nordischen Kunst und der Romanik her. Ineinander verflochtene Tierdarstellungen waren ein auffälliges Merkmal für diese Kunstrichtung. Der Urnes-Stil wurde im berühmten Teppich von Bayeux verewigt.

VIII. Die Entstehung des Teppichs von Bayeux

Der Teppich von Bayeux zählt zu den bekanntesten Kunstwerken des Mittelalters. Er beschreibt die Eroberung Englands durch den normannischen Herzog Wilhelm.

Wer den Teppich erschaffen hat, wissen wir nicht. Der Teppich von Bayeux ist wohl zwischen 1066 und 1082 erschaffen worden. Als Auftraggeber gilt heute der Bischof Odo von Bayeux (1030 – 1097). Odo war der Halbbruder Wilhelms des Eroberers.

Der oder die Künstler/innen benutzten Leinenstreifen zur Erstellung des Teppichs. Auf 70 Metern Länge und 50 Zentimetern Breite sind 58 Einzelszenen zu sehen. Der Teppich hing zunächst in der 1077 eingeweihten Kathedrale von Bayeux. Heute befindet er sich in einem Museum in der gleichnamigen Stadt.

IX. Die Bedeutung des Teppichs von Bayeux

Der Teppich von Bayeux stellt die Ereignisse des Jahres 1066 aus normannischer Sicht dar. Die Eroberung Englands durch Wilhelm wird sehr detailreich wiedergegeben. Wir sehen die (angebliche) Designation Wilhelms zum nächsten König von England, die Vorbereitung der Invasion sowie die Schlacht von Hastings.

Aufgrund seines Detailreichtums stellt der Teppich von Bayeux eine wichtige Quelle für Historiker dar. Er ergänzt die archäologischen Funde aus der damaligen Zeit. Er gibt uns einen Einblick in das alltägliche Leben während des Mittelalters. Egal ob Landwirtschaft, Schiffsbau oder der Einsatz von Werkzeugen durch die Handwerker – der Teppich von Bayeux zeichnet sich durch seine anschauliche Darstellung aus.