Die Wikinger in Island

Im Jahr 870 nahmen die Wikinger das bis dahin fast gänzlich unbewohnte Island in Besitz.

Hier gründeten sie ein Parlament, das bis zum heutigen Tag existiert.

Die Nordmänner benutzten die Insel als Sprungbrett nach Grönland und Nordamerika.

Allerdings zerstörten sie das natürliche Gleichgewicht auf der Insel und verursachten enorme Umweltschäden.

1. Island vor den Wikingern

Island liegt abgelegen im Nordatlantik. Norwegen, die Heimat der Wikinger, ist rund 1000 Kilometer entfernt.

In Island treffen die amerikanischen und die eurasischen Kontinentalplatten aufeinander. Daher gibt es eine hohe vulkanische Aktivität und heiße Quellen auf der Insel.

Eiskappen und Kälte prägen die isländische Landschaft – darum heißt die Insel „Island“ (Eisland). So ist das nordisländische Grímsey direkt am Polarkreis gelegen.

Und im Landesinneren erreichen die verschneiten Ebenen eine Höhe von bis zu 2085 Metern.

Zugleich sorgt der Golfstrom in den niederen Ebenen teilweise für ein mildes Klima.

Die Pflanzen- und Tierwelt auf der Insel im Nordatlantik ähnelte der Flora und Fauna Skandinaviens.

Island beheimatete einen Wald mit Birken und Weiden. In höheren Lagen wuchsen Wiesen mit Gras, Moos und Kräutern.

Abgesehen von einigen irischen Mönchen hatte es vor 870 keine dauerhafte menschliche Siedlung in Island gegeben. Die Wikinger fanden eine unbewohnte Insel vor.

2. Die Ankunft der Wikinger in Island

Zur Mitte des 9. Jahrhunderts wurden die Wikinger auf Island aufmerksam.

Der Schwede Gardar Svavarsson war der Erste, der die Insel umschiffte. Er erkundete Island und verbrachte dort den Winter 870.

Dort, wo sich heute die Stadt Húsavík befindet, baute er ein Haus, woraus sich die erste Siedlung der Wikinger in Island entwickelte. Das Jahr 870 stellt daher den Beginn der Besiedelung Islands durch die Wikinger dar.

Als die Nordmänner in Island eintrafen, befand sich die Insel im mittelalterlichen Klimaoptimum. Daher lockten ein mildes Klima und freies Weideland Siedler aus Norwegen an.

Dort hatte König Harald Schönhaar (852 – 933) mit der Einigung des Landes begonnen. Diejenigen, die sich nicht der Zentralgewalt des norwegischen Königs unterwerfen wollten, brachen nach Island auf.

Auch keltische Siedler bevölkerten die Insel.

Bis 930 waren die für die Landwirtschaft geeigneten Flächen unter den Einwohnern aufgeteilt.

3. Die isländische Gesellschaft

Die isländische Gesellschaft war bäuerlich geprägt. Großbauern bestimmten das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben.

In politischer Hinsicht verfügten die Isländer über Autonomie und regierten sich selbst.

Sie hatten auch ein eigenes Parlament – das Althing.

Zwischen 930 und 1262 existierte auf der Insel der Freistaat Island. Die Macht konzentrierte sich in den Händen von Häuptlingen, die aus wenigen, aber einflussreichen Familien stammten.

Erst im Jahr 1262 unterwarf sich Island der norwegischen Krone.

Was die Religion betrifft, so glaubten die Isländer auch weiterhin an die nordischen Götter. Aber im Jahr 1000 beschloss das Althing die Christianisierung Islands.

Im selben Jahr begann der Bau einer Kirche in Skálholt, wo 1056 auch das erste isländische Bistum errichtet wurde.

Ísleifur Gissurarson (1006 – 1080) war der erste Bischof von Skálholt. Das zweite isländische Bistum entstand 1106 in Hólar mit Jón Ögmundsson (1052 – 1121) als Bischof.

Bereits im Jahr 1050 baute Oxa Hjaltasonar eine Kirche in Hólar.

4. Das Althing

Das Althing wurde im Jahr 930 ins Leben gerufen. Der Name „Althing“ stammt aus den nordischen Sprachen und kann mit „Zusammenkunft“, „Versammlung“ oder „Gericht“ übersetzt werden.

Zu den Aufgaben des Althings zählten folglich Rechtsprechung und Gesetzgebung.

Das Althing wurde zunächst von 36 Häuptlingen gebildet. Im Jahr 965 wurde die Anzahl der Häuptlinge um drei erhöht, sodass dem Althing schließlich 39 Häuptlinge angehörten. Diese Zahl setzte sich auf Dauer auch durch.

Das Amt des Häuptlings wurde von Generation zu Generation weitervererbt. Die Häuptlinge (höfðingar oder goðar) trafen sich auf einem Lavafeld im Südwesten der Insel.

Ein goðar vertrat 100 Bauernhöfe in seinem Amtsbereich (goðorð).

Das Althing wurde in der Regel von Männern gebildet.

Beim Althing handelt es sich um das zweitälteste Parlament der Welt. Nur das im Jahr 900 auf den Färöer-Inseln gegründete Løgting ist noch älter – die Färöer-Inseln wurden bereits um 860 von den Wikingern besiedelt.

5. Aufbruch nach Grönland

Thorvald Asvaldsson beging 970 einen Mord und wurde in der Folge aus Norwegen verbannt. Er fand mit seiner Familie in Island Zuflucht und starb kurz nach seiner Ankunft auf der Insel.

Sein Sohn Erik der Rote (950 – 1003) geriet im Jahr 982 mit zwei anderen Männern in einen Streit und tötete diese. Folglich wurde Erik für drei Jahre aus Island verbannt.

Er begab sich danach auf eine Seefahrt in Richtung Westen und stieß auf eine Küste mit grünen Wiesen. Er nannte die von ihm entdeckte Insel daher „Grünland“ – besser bekannt als Grönland.

985 durfte Erik aus dem grönländischen Exil nach Island zurückkehren. Er hatte in der Zwischenzeit beschlossen, eine Kolonie in Grönland zu gründen, und warb in Island Siedler hierfür an.

Die Wikinger nutzten die Siedlung in Grönland als Sprungbrett nach Nordamerika. Eriks Sohn Leif Eriksson (970 – 1020) landete im Jahr 1001 in Neufundland, welches er „Vinland“ taufte.

6. Ernährung

Die Wikinger ernährten sich in Island von Wildtieren und Fischen. Als sie die Insel besiedelten, verfügte Island über ein reichhaltiges, natürliches Nahrungsangebot. So standen Fische, Seevögel, Enten, Robben und Walrosse zur Auswahl.

Zunächst dominierten Walrosse und Seevögel die isländische Speisekarte. Da jedoch die Bestände dieser Tierarten schon bald bis zur Ausrottung bejagt wurden, stiegen die Wikinger auf Robben um.

Eine weitere Nahrungsquelle waren Fische wie Kabeljau und Schellfisch. Diese Fischarten standen in großer Anzahl vor der isländischen Küste zur Verfügung und boten viele Proteine. Fische hatten den großen Vorteil, dass sie auch in landwirtschaftlichen Krisenzeiten zur Verfügung standen.

Die Wikinger stellten zudem aus Schafsmilch Skyr her. Skyr war für die Ernährung der isländischen Bauern von zentraler Bedeutung. Aus Schafsmilch wurden außerdem Butter und Käse produziert.

7. Landwirtschaft

Die „üppigen Wiesen“ (Jared Diamond, Kollaps, 2005) und der fruchtbare Boden Islands boten eine gute Grundvoraussetzung, um Landwirtschaft zu betreiben.

Jedoch war der Boden nicht so widerstandsfähig wie in Norwegen oder Großbritannien.

Der isländische Boden war sehr empfindlich und bedurfte einer nachhaltigen Landwirtschaft. Das wussten die Wikinger aber nicht. Sie setzten auf Schafe, Rinder, Pferde, Ziegen und Schweine.

Um Weideland zu schaffen, rodeten die Siedler die isländischen Wälder bis hin zur vollständigen Abholzung. Und die von den Wikingern importierten Schweine fraßen die Keimlinge auf, sodass keine neuen Wälder nachwachsen konnten.

Zudem war das Hochland der Insel mit der großen Schafpopulation überfordert.

Mit ihrer Art und Weise, Landwirtschaft zu betreiben, zerstörten die Wikinger die isländische Vegetation.

Der amerikanische Biogeograph Jared Diamond schrieb in seinem Buch Kollaps: „etwa die Hälfte des ursprünglichen Bodens wurde durch Erosion in den Ozean geschwemmt“.

8. Umweltschäden und Rohstoffmangel

Bei der Ankunft der Wikinger machte der Wald ein Viertel der isländischen Fläche aus. Heute beträgt der Waldanteil nur noch ein Prozent.

Bereits im Jahrhundert nach der Ankunft der Wikinger waren 80 Prozent des isländischen Waldes verschwunden. Die wenigen Bäume, die überlebt haben, werden heute mit Zäunen vor Schafen geschützt.

Als die Wikinger erkannt hatten, wie empfindlich die isländische Natur war, da war es schon zu spät. Die Erosion des Bodens war schon zu weit fortgeschritten. Der Rohstoff „Wald“ war aufgebraucht, der Boden trocknete aus und die einstigen Wiesen hatten sich in Wüsten verwandelt.

Jared Diamond fasste den Zustand wie folgt zusammen: „Im Hochland gab es nun weder Boden noch Vegetation.“ Ihm zufolge waren in keinem anderen europäischen Land die Umweltschäden so groß wie in Island.

9. Der Weg in die Zukunft

Um zu retten, was noch zu retten war, setzten die isländischen Wikinger auf drastische Änderungen. Die Haltung von Ziegen und Schweinen, die sich als besonders umweltschädlich herausgestellt hatte, wurde eingestellt.

Benachbarte Bauernhöfe schlossen sich zusammen und achteten streng darauf, wie viele Schafe die Weiden maximal ernähren konnten.

Die Bewirtschaftung des Landes richtete sich fortan an der Aufnahmefähigkeit des Bodens aus. So wurde die Bewirtschaftung des Hochlandes größtenteils aufgegeben.

Die Isländer waren sich der ökologischen Empfindlichkeit ihrer Insel bewusst geworden und wollten weitere Erosionen um jeden Preis verhindern.

1262 unterstellte sich Island der norwegischen Krone.

1380 geriet die Insel unter dänische Herrschaft.

Im Jahr 1918 entließ Dänemark Island in die Unabhängigkeit.

Und 1944 entschieden sich die Isländer in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit für die Abschaffung der Monarchie.