Das Fürstentum Antiochia – die Normannen im Heiligen Land

Nachdem Papst Urban II. (1035 – 1099) im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug aufgerufen hatte, machten sich auch Normannen ins Heilige Land auf.

Darunter befand sich Bohemund von Tarent (1051 – 1111), der Antiochia eroberte und dort ein Fürstentum gründete.

Dieses Fürstentum war der erste Kreuzfahrerstaat und existierte bis 1268.

1. Der erste Kreuzzug

Während der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts geriet das Byzantinische Reich in Kleinasien durch die Expansion der türkischen Seldschuken in massive Bedrängnis.

Daher bat Kaiser Alexios I. (1057 – 1118) Papst Urban II. um Hilfe.

Auf der Synode von Piacenza im März 1095 teilte Urban II. dem Kaiser mit, dass er zur Hilfsleistung bereit sei.

In den Jahren 1095 und 1096 war der Papst in seiner französischen Heimat unterwegs, um Rekruten zu gewinnen.

Urban II. hielt Kreuzzugspredigten an vielen Orten. So auch am 27. November 1095 auf dem Konzil von Clermont, wo ihm die Menge begeistert „Deus lo vult“ („Gott will es“) zurief.

Ziel des ersten Kreuzzuges war die Rückeroberung Jerusalems von den Muslimen.

Die Predigten des Papstes waren sehr effektiv: Zwischen Frühjahr 1096 und Frühjahr 1101 machten sich 120 000 Männer (und Frauen) auf in Richtung Heiliges Land.

2. Die Kreuzfahrerstaaten

Der erste Kreuzzug war in militärischer Hinsicht ein voller Erfolg. Das große Ziel, die Rückeroberung von Jerusalem, glückte am 15. Juli 1099.

Allerdings richteten die Kreuzritter nach der Einnahme der heiligen Stadt ein Massaker an.

Jerusalem wurde die Hauptstadt des Königreichs Jerusalem.

Hatte Gottfried von Bouillon (1060 – 1100) sich noch als „Beschützer des Heiligen Grabes“ bezeichnet, so nahm sein Bruder und Nachfolger Balduin I. (1060 – 1118) 1100 den Titel eines Königs von Jerusalem an.

Von 1098 bis 1100 stand Balduin I. bereits einem anderen Kreuzfahrerstaat vor – der Grafschaft Edessa.

Der jüngste Kreuzfahrerstaat war die Grafschaft Tripolis, die Raimund IV. von Toulouse (1041 – 1105) 1102 gründete.

Raimunds Sohn Bertrand von Toulouse (1065 – 1112) eroberte 1109 die Stadt, die der Grafschaft ihren Namen gab.

Doch der älteste Kreuzfahrerstaat war eine normannische Gründung – das Fürstentum Antiochia.

3. Bohemund von Tarent: die frühen Jahre

Der Gründer des Fürstentums Antiochia war Bohemund von Tarent. Letzterer erblickte um das Jahr 1051 herum das Licht der Welt.

Er war der Sohn des mächtigen Normannen Robert Guiscard (1015 – 1085) aus dem Haus Hauteville.

Seine Mutter war Alberada von Buonalbergo (1035 – 1111).

Bohemund sammelte erste militärische Erfahrungen auf den Feldzügen seines Vaters. So war er zwischen 1082 und 1084 Befehlshaber, als Robert Guiscard in Griechenland einfiel.

Dennoch wurde Bohemund nach dem Tod seines Vaters bei der Aufteilung des Erbes übergangen.

Obwohl Bohemund der älteste Sohn war, ging der Großteil der süditalienischen Besitzungen Robert Guiscards an Bohemunds jüngeren Halbbruder Roger Borsa (1061 – 1111).

Bohemund musste sich mit dem Fürstentum Tarent begnügen, zeigte sich aber trotzdem loyal gegenüber Roger Borsa.

Während einer Expedition gegen Amalfi erfuhr Bohemund vom Kreuzzugsaufruf – und brach umgehend ins Heilige Land auf.

4. Die Eroberung von Antiochia

Zusammen mit anderen Normannen zog Bohemund von Tarent ins Heilige Land. Er war einer der Anführer des Kreuzfahrerheeres.

Am 1. Juni 1097 führte Bohemund die Kreuzritter zum Sieg in der Schlacht von Doryläum.

Er richtete sein Augenmerk danach auf Antiochia, welches über 360 Türme und eine 12 Kilometer lange Stadtmauer verfügte.

Im Oktober 1097 begannen die Normannen mit der Belagerung von Antiochia, die acht Monate dauern sollte.

Die Kreuzfahrer hatten festgelegt, dass derjenige, der die Stadt eroberte, auch die Herrschaftsrechte erhalten sollte.

Bohemund setzte auf die Hilfe des Armeniers Phirus, der ihm ein Tor öffnete und damit den Weg in die Stadt ebnete.

Bohemund und seine Männer drangen schließlich Anfang Juni 1098 über eine Strickleiter in Antiochia ein. Die

Kreuzfahrer richteten ein Massaker an der Bevölkerung an.

Als Eroberer der Stadt wurde Bohemund als Bohemund I. Fürst von Antiochia.

5. Festigung der Herrschaft

Die Herrschaft Bohemunds I. über Antiochia wurde prompt herausgefordert. Inmitten der Siegesfeier der Kreuzritter belagerte ein muslimisches Heer die Stadt.

Die Voraussetzungen für Bohemund I. und seine Soldaten standen schlecht: Die Vorräte waren knapp, die Kreuzfahrer mussten sogar das Blut ihrer eigenen Pferde trinken.

In diesem Moment der Verzweiflung setzte Bohemund I. auf die „Heilige Lanze von Golgatha“. Die Kreuzritter hatten die Lanze in der Basilika von Antiochia entdeckt.

Mit der Lanze als Feldzeichen konnte Bohemund I. den arabischen Belagerungsring brechen.

Antiochia war nun endgültig in der Hand der Kreuzfahrer. Das Fürstentum Antiochia konnte als erster Kreuzfahrerstaat errichtet werden.

Bohemund I. hatte Kaiser Alexios I. ursprünglich versprochen, Antiochia nach der Einnahme an die Byzantiner zurückzugeben – doch jetzt wollte der Normanne nichts mehr davon wissen.

Der Konflikt zwischen Bohemund I. und dem Byzantinischen Reich prägte die folgenden Jahre.

6. Bohemund von Tarent: die späteren Jahre

Nachdem sich Bohemund I. als Fürst von Antiochia durchgesetzt hatte, strebte er nach Höherem. Er wollte Konstantinopel erobern und (byzantinischer) Kaiser werden.

Doch im Sommer 1100 wurde er vom Emir ibn-Danismend von Sebastia gefangengenommen.

Erst 1103 wurde Bohemund I. nach der Zahlung eines enormen Lösegeldes (100 000 Byzantiner) in die Freiheit entlassen.

1104 kehrte der Fürst von Antiochia nach Europa zurück, um in Frankreich und Italien Rekruten für seinen Feldzug gegen Konstantinopel anzuwerben.

Bei seinem Aufenthalt in Europa wurde Bohemund I. als Eroberer von Antiochia gefeiert.

König Philipp I. von Frankreich (1052 – 1108) gab ihm sogar seine Tochter Konstanze (1078 – 1125) zur Frau.

Der Feldzug des Fürsten von Antiochia gegen Konstantinopel scheiterte jedoch bereits 1108 in Dalmatien.

Den Rest seines Lebens verbrachte Bohemund I. in Süditalien, wo er 1111 während der Planung eines neuen Feldzuges starb.

7. Das Fürstentum Antiochia nach Bohemund

Während der Gefangenschaft von Bohemund I. hatte dessen Neffe Tankred von Tiberias (1072 – 1112) die Regentschaft im Fürstentum Antiochia übernommen.

Da Bohemund I. kurz nach seiner Freilassung nach Europa aufbrach, blieb Tankred als Regent in Antiochia. Tankred blieb bis zu seinem eigenen Tod im Jahr 1112 an der Macht.

Die Fürsten von Antiochia mussten ihr Land ständig gegen die muslimischen und armenischen Nachbarn verteidigen.

So fiel Fürst Bohemund II. (1108 – 1130) mit gerade einmal 22 Jahren im Kampf gegen die turkmenischen Danischmenden (1130).

Und Bohemund III. (1144 – 1201) geriet sowohl in türkische (1164) als auch armenische (1193) Gefangenschaft.

Der Aufstieg der Mamluken läutete schließlich das Ende des Fürstentums Antiochia ein.

In der Schlacht von Ain Dschalut besiegten die Mamluken unter Sultan Baibars I. (1223 – 1277) 1260 die Mongolen und nahmen danach Antiochia ins Visier.

8. Das Ende des Fürstentums

Nachdem die mongolische Bedrohung erst einmal abgewendet war, wandten die Mamluken ihr Augenmerk dem Fürstentum Antiochia zu.

Fürst Bohemund VI. (1237 – 1275) hatte die Mongolen während deren Invasion in Ägypten und Syrien unterstützt.

Im Jahr 1268 gingen die Mamluken gegen die Kreuzfahrerstaaten vor und standen am 14. Mai vor den Toren von Antiochia.

Die Befestigungsanlagen befanden sich zwar in einem guten Zustand, doch Fürst Bohemund VI. war mit seinen Truppen in Tripolis. Für die Verteidigung von Antiochia standen daher zu wenige Kämpfer zur Verfügung.

Am 18. Mai stürmten die Mamluken die Stadt und richteten ein Massaker in Antiochia an. Diejenigen, die überlebt hatten, wurden in die Sklaverei verkauft.

Das Fürstentum Antiochia hatte nach 170 Jahren aufgehört zu existieren.

Die Mamluken eroberten am 28. Mai 1291 die Festung Akkon und beseitigten damit auch noch die Reste der Kreuzfahrerstaaten.