Geschichte der Wikinger in England

Wikinger in England
Küste von Cornwall – Bild: ian woolcock / Shutterstock.com

Wie kein anderes Land litt England unter den Raubzügen der Wikinger.

Hier begann das Zeitalter der Wikinger und hier gründeten sie schon im 9. Jahrhundert eigene Reiche.

In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts saßen sogar Dänen auf dem englischen Thron.

Schließlich eroberten 1066 die Normannen unter Führung ihres Herzogs Wilhelm England.

1. Der Überfall auf Lindisfarne

Mit der Plünderung des Klosters Lindisfarne im Nordosten Englands begann im Jahr 793 das Zeitalter der Wikinger.

Der Angriff kam wie aus dem Nichts. Die Mönche des Klosters waren völlig wehrlos und mussten hilflos mitansehen, wie ihre Kirche geplündert wurde.

In der Anfangszeit waren die Britischen Inseln das Hauptangriffsziel der Wikinger. Die Nordmänner nahmen insbesondere die Küstenstädte ins Visier.

Die in England lebenden Angelsachsen wussten lange Zeit nicht, wie sie sich gegen die Invasoren behaupten konnten und sahen sich zur Zahlung von Schutzgeld (Danegeld) gezwungen.

Für England begann eine lange Leidenszeit.

2. Die Raubzüge der Wikinger in England

In den 830er-Jahren intensivierten sich die Raubzüge der Wikinger in England.

Im Jahr 835 tauchten beispielsweise 350 Wikingerschiffe vor der Küste Cornwalls auf.

Und für das Jahr 840 berichtet das Anglo-Saxon Chronicle über 35 Schiffe, mit denen die Skandinavier nach Carhampton (Somerset) aufbrachen und dort landeten.

Die Wikinger, die England zum Ziel ihrer Beutezüge machten, stammten vor allem aus Dänemark.

Abteien und Klosterkirchen wurden häufig von den Nordmännern angegriffen, da sie über einen großen Wohlstand verfügten. In ihnen befanden sich wertvolle Gegenstände, die man von dort wegtragen konnte.

Im Jahr 865 begann schließlich der Raub- und Eroberungszug der großen dänischen Armee.

3. Die Wikinger werden sesshaft

Bis in die 850er-Jahre hinein kehrten die Wikinger nach dem Abschluss ihrer Überfälle nach Skandinavien zurück. Aber im Jahr 851 gingen die Wikinger dazu über, in England zu überwintern und sich dort niederzulassen.

Sie erkoren die Inseln Thanet und Sheppey in der Themsemündung zu dauerhaften Stützpunkten. Diese Inseln waren der Ausgangspunkt der dänischen Expansion in England.

Die dänischen Wikinger gründeten eigene Reiche auf englischem Boden, in denen sie ihr Recht einführten und ihre Landsleute ansiedelten.

Im Laufe der Jahrzehnte etablierte sich so eine dänische bzw. dänischstämmige Minderheit in England.

4. Die Wikinger-Reiche auf den britischen Inseln

Nach der Einrichtung der beiden Stützpunkte in Thanet und Sheppey gingen die Wikinger schon bald in die Offensive.

866 eroberten sie das heutige York und machten es zum Zentrum des Königreich Jórvík, das erst 954 unterging.

Auch in Irland waren die Wikinger als Staatsgründer aktiv. Im Winter 840/841 überwinterten sie dort und gründeten das heutige Dublin. 853 wurde daraus das Königreich Dublin, das bis 1171 Bestand hatte.

Im Jahr 902 wurden die Wikinger kurzzeitig aus Irland vertrieben, doch schon 15 Jahre später eroberten sie das Königreich Dublin zurück.

Im Laufe der Zeit fand eine Assimilation statt und die in Irland lebenden Wikinger gingen in der gälischen Kultur auf.

5. Alfred der Große

Alfred der Große (849 – 899) wurde im Jahr 871 König von Wessex. Sein Verdienst besteht darin, den Vormarsch der Wikinger in England ausgebremst zu haben.

In der Schlacht von Edington gelang Alfred 878 ein bedeutender Sieg über die Dänen, deren Anführer Guthrum († 890) im Anschluss daran zum Christentum konvertierte.

Im Jahr 886 wurde Alfred von den angelsächsischen Reichen als König von England anerkannt.

Am 26. Oktober 899 starb Alfred und seine Nachfolger drängten die Wikinger weiter zurück.

Im Jahr 937 besiegte König Æthelstan (894 – 939) in der Schlacht bei Brunanburh die Armeen der Königreiche Dublin, Schottland und Strathclyde.

Und 954 wurde Erik Blutaxt (885 – 954), der letzte König des Wikinger-Reiches von York, aus England vertrieben.

6. Das Danelaw/Danelag

Im Jahr 886 teilten Angelsachsen und Wikinger England unter sich auf.

Zuvor hatte Alfred der Große London für die Angelsachsen zurückerobert. Jedoch war er nicht in der Lage, ganz England von der Herrschaft der Wikinger zu befreien.

Daher schloss er einen Teilungsvertrag mit dem Dänen Guthrum ab.

Der Nordwesten, Nordosten und Osten Englands wurde dabei den Wikingern zugesprochen. Hier setzten sie ihre Gesetzgebung, Sprache und Kultur durch.

Unter anderem befanden sich Newcastle, York, Manchester, Leicester, Norwich und Cambridge unter der Herrschaft der Nordmänner.

Die Nachfolger Alfreds sollten den Danelag nach und nach für England zurückerobern.

7. Das St. Brice’s Day Massaker (1002)

In den 980er-Jahren nahmen die Angriffe der Wikinger auf England wieder zu.

Um die Nordmänner zum Abzug zu bewegen, musste der englische König Æthelred (968 – 1016) immer wieder enorme Summen an die Invasoren überweisen.

Die Wikinger erhielten auf diese Art und Weise 100 000 Pfund Silber von den Angelsachsen.

In der englischen Bevölkerung wurde der Unmut darüber immer größer und König Æthelred stand unter Druck.

Daher ordnete Æthelred den Massenmord an den in England lebenden Dänen an. Am 13. November 1002 wurden mehrere Tausend Skandinavier abgeschlachtet, nicht einmal vor Kindern machte der Mob halt.

8. Die Rache der Wikinger

Unter den Opfern des St. Brice’s Day Massaker befand sich auch Gunhild (956 – 1002), die Schwester des dänischen Königs Sven Gabelbart (960 – 1014).

Gabelbart war nun auf Rache gegenüber den Engländern aus und überzog das Land mit Vergeltungsfeldzügen.

Von 1002 bis zu seinem Tod im Jahr 1014 hielt sich Sven Gabelbart nahezu beständig in England auf und erzwang die Zahlung von Tributen.

1003 und 1004 suchten die Wikinger zum Beispiel Wessex und East Anglia heim.

Während bei den Angriffen bis 1012 das Eintreiben des Danegeldes im Vordergrund stand, strebte Gabelbart bei der Invasion des Jahres 1013 nach der englischen Krone.

Bis Jahresende hatte der dänische König ganz England samt der Hauptstadt London eingenommen und wurde an Heiligabend 1013 zum neuen König von England ausgerufen.

9. Dänische Könige in England

Zwischen 1013 und 1042 regierten fast durchgehend dänische Könige in England.

Den Anfang machte Sven Gabelbart, der im Dezember 1013 den englischen Thron bestieg. Er starb jedoch schon am 3. Februar 1014 in Gainsborough und zunächst fiel die Herrschaft an die Angelsachsen zurück.

Sven Gabelbarts Sohn Knut (990 – 1035) konnte aber die dänische Herrschaft über England 1016 wiederherstellen.

In Knuts Regierungszeit erlebte England einen wirtschaftlichen Aufschwung.

England war der Ausgangspunkt von Knuts Nordseereich, zu dem auch Dänemark, Norwegen und Teile Schwedens gehörten.

Knuts Tod im Jahr 1035 läutete allerdings sowohl das Ende des Nordseereiches als auch der dänischen Herrschaft über England ein.

10. Das Ende der dänischen Herrschaft

Das von Knut dem Großen aufgebaute Nordseereich zerfiel nur wenige Jahre nach dessen Tod am 12. November 1035.

Aus der Ehe mit Emma von der Normandie (987 – 1052) ging der Sohn Hardiknut (1018 – 1042) hervor.

Aus einer anderen Ehe stammte sein Sohn Harald Hasenfuß (1016 – 1040).

Zwischen 1035 und 1037 teilten sich die beiden Halbbrüder die Herrschaft über England, ehe Harald Hasenfuß seine Stiefmutter Emma ins Exil vertrieb und sich selbst zum Alleinherrscher erklärte.

Bereits 1040 starb Harald Hasenfuß und Hardiknut wurde neuer König von England.

Nur zwei Jahre später kam Hardiknut bei einem Trinkgelage ums Leben und die dänische Dynastie war erloschen.

Mit Eduard dem Bekenner (1004 – 1066) übernahm 1042 wieder ein Angelsachse die Herrschaft über England.

11. Harald Hardråde greift nach der Krone

Am 5. Januar 1066 starb Eduard der Bekenner, ohne einen männlichen Erben für den englischen Thron zu hinterlassen.

Eduard war mit Edith von Wessex (1029 – 1075) verheiratet, deren Bruder Harald Godwinson (1022 – 1066) neuer König wurde.

Der norwegische König Harald Hardråde (1015 – 1066) stellte ebenfalls Ansprüche auf die englische Krone.

Harald Hardråde verwies dabei auf seine (weitläufige) Verwandtschaft mit Knut dem Großen.

Der König von Norwegen landete mit seinen Truppen in England und wählte sich als erstes Ziel York aus.

Auf dem Weg dorthin stellte sich ihm Harald Godwinson in den Weg. In der Schlacht von Stamford Bridge am 25. September 1066 behielt der englische König die Oberhand.

Harald Hardråde fiel in der Schlacht und Harald Godwinson hatte den ersten Angriff auf seinen Thron abgewehrt.

12. Die normannische Invasion

Zwei Tage nach der Schlacht von Stamford Bridge brach Herzog Wilhelm der Normandie (1028 – 1087) in Richtung England auf.

Am 28. September 1066 landeten die Normannen in Pevensey Bay (Südengland).

Bereits Wilhelms Vater Herzog Robert I. (1000 – 1035) dachte über eine Invasion in England nach.

Wilhelms Großtante Emma von der Normandie war mit den englischen Königen Æthelred (Ehe dauerte von 1002 bis 1016) und Knut dem Großen (von 1017 bis 1035 zusammen) verheiratet.

Zudem verwies der Herzog darauf, dass Harald Godwinson ihm die Thronfolge in England persönlich zugesichert habe.

Da jedoch ausschließlich normannische Quellen wie Wilhelm von Jumièges (1000 – 1070) und Wilhelm von Poitiers (1020 – 1090) darüber berichten, ist diese Darstellung zumindest einmal zweifelhaft.

13. Der Sieg Wilhelms

In der Schlacht von Hastings standen sich am 14. Oktober 1066 Herzog Wilhelm und König Harald Godwinson gegenüber.

Die königlich-englische Armee hatte in der der Schlacht von Stamford Bridge erhebliche Verluste erlitten und ging somit geschwächt in die Schlacht von Hastings.

Derweil konnte der Herzog der Normandie auf eine ausgeruhte Streitmacht zurückgreifen.

Harald Godwinson befand sich mit seinen Truppen auf einem Hügel, den Wilhelm mit seinen Männern erstürmen wollte.

Zunächst konnte der englische König die Angriffe der Normannen abwehren. Doch schließlich wurde Harald Godwinson zuerst von einem Pfeil im Auge getroffen und danach von einem normannischen Reiter erschlagen.

Wilhelm siegte und wurde als Wilhelm der Eroberer neuer König von England.

14. Die Hinterlassenschaft der Wikinger

Die Wikinger hinterließen vor allem sprachliche Spuren in England.

Anhand der Wortendung kann man eindeutig ablesen, welche Ortschaften und Städte einst von ihnen gegründet wurden. Ortsnamen, die auf ton (Dorf, Gehöft), by (ebenfalls Dorf oder Gehöft) und thorpe (Weiler) enden, lassen sich auf die Wikinger zurückführen.

Als Beispiele seien Grimston, Derby und Scunthorpe genannt.

Aber auch in der Bezeichnung von Ämtern und Titeln lässt sich das Erbe der Wikinger bis heute nachvollziehen. So geht der englische „earl“ auf den skandinavischen Jarl zurück.