Alltag der Wikinger auf Reisen und Raubzügen

I. Die Fähigkeiten der Wikinger als Seefahrer

Als sich die Wikinger auf dem Höhepunkt ihrer Macht befanden, verbrachte ein skandinavischer Mann einen Großteil des Jahres zur See. Die Dominanz der Wikinger basierte auf ihren überragenden Fähigkeiten als Seefahrer. Sie waren die führenden Seeleute ihrer Zeit und ihren Zeitgenossen auf dem europäischen Kontinent haushoch überlegen. So hatten sie bereits im Mittelalter herausgefunden, wie man durch eine gezielte Anordnung der Planken den Widerstand zwischen Wasser und Schiff reduzieren kann. Sie betrieben als einzige Europäer ihrer Zeit die Hochseefahrt und gelangten sogar bis nach Nordamerika, was ein Beleg für ihre navigatorischen Qualitäten ist.

II. Der Tagesablauf zur See

Für einen seefahrenden Wikinger begann der Tag sehr früh, schließlich sollte sich das Schiff mitsamt der Mannschaft beizeiten auf den Weg machen. Der Alltag an Bord war eine Herausforderung. Wenn schlechte Windverhältnisse herrschten, dann musste die Schiffsbesatzung rudern – und Rudern war eine kräftezehrende Aufgabe. Während der Raubzüge oder Handelsreisen gab es nur wenige Gelegenheiten für die Männer, um sich zu erholen. In den wenigen Pausen nahmen sie Mahlzeiten zu sich. Im Kampf gegen Skorbut setzten die Wikinger auf Sauerkraut, von dem reichlich an Bord war. Die Crew übernachtete an Land und brach am nächsten Morgen wieder auf.

III. Mannschaft und Aufgabenverteilung

Die Skandinavier waren im frühen Mittelalter ein seefahrendes Volk. Große Teile der männlichen Bevölkerung Dänemarks, Norwegens und Schwedens verbrachten den Frühling und Sommer zur See. Somit war es für die Wikinger kein Problem, für die Schiffe eine ausreichende Mannschaftsstärke bereitzustellen. Bei den Langschiffen gehörte stets ein Kampfverband zur Besatzung. Dabei waren es die jungen Krieger, die bei den Überfällen an den englischen und fränkischen Küsten vorangingen. Es wird heute angenommen, dass sich auf einem Langschiff 30 oder mehr Kämpfer an Bord befanden. Für die Handelsschiffe liegen andere Zahlen vor. Bei diesen konnten 35 bis 60 Seeleute zur Crew zählen.

IV. Navigation und Orientierung

Die Wikinger waren Meister der Navigation. Solange es möglich war, versuchten sie, das Ufer nicht aus der Sichtweite zu verlieren. Das nächstgelegene Ufer diente als Orientierungsmarke. Wenn eine Ausrichtung am Ufer nicht mehr möglich war, dann benutzten die Wikinger Hilfsmittel. Welche das genau waren, lässt sich häufig nicht mehr nachweisen. Jedoch ist der Einsatz des Lotes belegt und möglicherweise setzten sie auch auf eine Sonnenpeilscheibe. Natürliche Orientierungspunkte wie die Sonne oder der Flug der Seevögel kamen ebenfalls zum Einsatz. Nicht zu vergessen natürlich der gewaltige Erfahrungsschatz der Wikinger hinsichtlich der Navigation in offenen Gewässern.

V. Der Sonnenstein

Der strenge Polarwinter stellte selbst für die Wikinger eine Herausforderung in Sachen Navigation dar. Die schlechten Sichtverhältnisse erschwerten die Bestimmung des Sonnenstandes in einem erheblichen Ausmaß. In der Forschung wird angenommen, dass sie auf einen Sonnenstein setzten, um dieser Probleme Herr zu werden. Der Sonnenstein bestand vermutlich aus dem Mineral Kalzit (Kalkspat) und teilte den Lichtstrahl in zwei gleichstarke Bündel auf. So konnten sich die Wikinger einen klaren Blick auf den Stand der Sonne verschaffen. Für diese These spricht, dass moderne Versuche gezeigt haben, dass ein Sonnenstein funktioniert. Weiterhin ist Kalzit ein für Skandinavien typisches Mineral.

VI. Die beiden Schiffstypen

Je nach Sinn und Zweck der Reise, setzten die Wikinger auf unterschiedliche Schiffstypen. So kam bei den Raubzügen und Überfällen das Langschiff zum Einsatz. Es verfügte im Durchschnitt über eine Länge von 20 Metern. Die Ruderbänke waren dicht angebracht und das Langschiff verfügte über wenig Tiefgang. Das brachte den Vorteil mit sich, dass die Wikinger auch Flüsse befahren konnten und erleichterte die Landung an fremden Küsten. Für Handelsfahrten war hingegen die Knorr vorgesehen. Diese hatte einen höheren Tiefgang als das Langschiff, da sie möglichst viele Waren sicher zu den Handelspartnern bringen sollte. Die Knorr war hochseetauglich und ermöglichte den Wikingern weitreichende Handelsbeziehungen.

VII. Was machte die Schiffe der Wikinger aus?

Die Schiffe, mit denen die Wikinger zu Beutezügen und Handelsreisen aufbrachen, waren wendig und schlank. Da sie lang im Wasser lagen, konnten auch Flauten die Schiffe der Wikinger nicht aufhalten. Segel und Ruder ermöglichten ein schnelles Vorankommen. Beim Bau eines Wikingerschiffs wurden Eiche, Kiefer, Esche, Erle, Birke, Weide und Linde verwendet. Das markanteste Erkennungszeichen der Langschiffe war der deutlich sichtbar platzierte Drachenkopf. Daher waren sie auch als Drachenboote bekannt. Dabei handelte es sich um psychologische Kriegsführung, denn die Drachenköpfe sollten die Feinde einschüchtern.

VIII. Die Vorteile der Wikingerschiffe

Die Wikinger profitierten bei ihren Reisen von der enormen Geschwindigkeit ihrer Schiffe. Das wiederum ermöglichte ein schnelles Wenden. Die Wikinger waren hinsichtlich der Seefahrt konkurrenzlos in Europa und setzten neue Maßstäbe. So befand sich bei einem Wikingerschiff das Ruder auf der rechten Seite. Aus diesem Grund gehen die noch heute gängigen Begriffe „Backbord“ und „Steuerbord“ auf die altnordische Sprache der Wikinger zurück. Dank solcher Innovationen waren die Schiffe der Wikinger über Jahrhunderte hinweg unschlagbar. Und die Seefahrer, die sich in ihren Pausen Geschichten von den Helden der nordischen Mythologie erzählten, wurden so selbst zu Helden.